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Mittwoch, 13. März 2013

Abstrakt-konkrete Landschaften

Die Luzerner Galerie im Zöpfli zeigt Bilder mit abstrakt-konkreten Landschaften von Thomas Muff — schön, dass der Krienser Künstler wieder einmal zu einer Einzelausstellung kommt, sind doch seit seiner letzten grösseren Ausstellung in der Region Luzern fünf Jahre vergangen.



Thomas Muffs Bilder entstehen meist in zwei Phasen: einer abstrakten und einer konkreten. Die erste Farbschicht, die der Maler manchmal aus dezenten, oft aber aus leuchtenden Farben aufträgt, ist Ausdruck von kreativem Chaos: Es ist zwar nicht Action Painting, aber die Farben laufen runter, werden verschmiert, mischen sich. Es entsteht ein abstraktes Gemälde mit streifigen Strukturen, mit farbigen Schlingen und Schlaufen.



Auf diese abstrakte Grundlage projiziert der Künstler in einer zweiten Phase Fotos aus seinem Fundus und überträgt ausgewählte Elemente meist in dunklen Farben auf den farbigen Bildgrund aus der ersten Phase. Dabei entstehen konkrete Bildinhalte, die wie Scherenschnitte oder Schattentheater aussehen, streng-kontrolliert wirken und durch gezieltes Auswählen und Weglassen gleichzeitig eine witzig-verspielte Komponente einbringen. Während sich Thomas Muff in der ersten Phase bemüht, den chaotischen Prozess einigermassen unter Kontrolle zu halten, geht es in der zweiten Phase darum, die kontrollierte Strenge aufzubrechen.



Bis 2007 waren auch die Bildinhalte abstrakt: geometrische Formen wie Rechtecke, Kreise oder Kreuze. Seither wurden sie laufend konkreter, detaillierter und feiner — konsequenterweise sind mit der Konkretisierung der Inhalte Muffs Bilder nicht mehr O.T. sondern betitelt. Obiges Bild, mit Acryl und Öl auf Holz gemalt, trägt beispielsweise den Titel "Big China" und erinnert entfernt an fernöstliche Landschaftsmalerei, die ja auch nie eine konkrete Landschaft abbilden, sondern immer Gefühle vermitteln wollte.



An der Vernissage vom letzten Donnerstag sprach Kunstvermittler und Ausstellungskurator Urs Sibler, der das Museum Bruder Klaus in Sachseln leitet, von der Bilderküche des Künstlers — eine sehr anschauliche Beschreibung des Ateliers und der Arbeitsweise von Thomas Muff. Über Malerei zu schreiben und zu reden ist ganz und gar nicht einfach, aber Sibler gelang es, auf eine recht sinnliche und treffende Weise ins Werk des Krienser Künstlers einzuführen.



Die abstrakt-konkreten Landschaften von Thomas Muff vermögen zu faszinieren, weil er es schafft, dass die Gegensätze abstrakt und konkret sich gegenseitig befruchten: Das Abstrakte wird konkretisiert — das Konkrete abstrahiert.

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Die Einzelausstellung von Thomas Muff in der Luzerner Galerie im Zöpfli ist noch bis am 13. April 2013 zu sehen. Öffnungszeiten: Mi – Fr 13.00–17.30 Uhr, Sa 10.00–16.00 Uhr. Adresse: Im Zöpfli 3, 6004 Luzern.

Rechtzeitig zu dieser Ausstellung ist ein neuer Katalog der Werke von Thomas Muff erschienen. Der druckfrische Katalog ist in der Galerie im Zöpfli zu kaufen.

Samstag, 9. März 2013

Schnorri & Schlarpi weggeblasen

Wer schaut sie nicht immer wieder gern, die Clips von gesprengten und in sich zusammenfallenden Hochhäusern, Fabrikschloten, Brücken etc.? Das Show-Down dauert nur wenige Sekunden, wird dafür meistens mehrmals zelebriert. Dann hüllt jeweils eine gewaltige Staubwolke das Geschehen ein und zurück bleibt ein riesiger Trümmerhaufen.

So ist es auch dem Sprecherhof, dem markanten Hochhaus kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Aarau, ergangen — es wurde in der Nacht auf Freitag gesprengt. Das Medienecho war schon im Voraus gross und entsprechend gross war auch der Aufmarsch an Schaulustigen:


75 Kilo Sprengstoff legen den 5000 Tonnen schweren Koloss aus Beton und Stahl in Schutt und Asche (Youtube-Video von webgardentv).

Der Zürcher Tagesanzeiger berichtete ausführlich über das Spreng-Spektakel. Die Zeitung brachte eine ganzseitige Vorschau und beleuchtete auf der Hintergrundseite sämtliche Aspekte der Sprengung des Rockwell-Hochhauses — von der Geschichte des Gebäudes und der damit verbundenen Firma Sprecher + Schuh über andere spektakuläre Sprengungen, die weltweit für Furore sorgten, bis zu den Details der geplanten Sprengung in Aarau.

Auf dem Hochhaus prangte lange Zeit das einprägsame Logo des Elektrounternehmens Sprecher + Schuh. Gemäss Historisches Lexikon der Schweiz verlegte die 1900 von Carl Sprecher und Hans Fretz gegründete Firma ihren Sitz 1901 nach Aarau und wurde 1902 — nach dem Firmeneintritt von Heinrich Schuh — in Sprecher + Schuh AG umbenannt. Das Aargauer Unternehmen, das von den Aargauern liebevoll "Schnorri + Schlarpi" genannt wurde, florierte und expandierte. Anfang der 1980er Jahre geriet das börsenkotierte Unternehmen jedoch in finanzielle Schwierigkeiten. Es erfolgten mehrere Strategiewechsel und Umstrukturierungen, die schliesslich zu einer Aufteilung des Unternehmens in drei Bereiche führte, die einzeln verkauft wurden. Der Niederspannungsbereich ging an den US-Konzern Rockwell, der das Schnorri+Schlarpi-Hochhaus übernahm. Interessanterweise gibt es den Firmen- und Markennamen Sprecher + Schuh nach wie vor: Die in Houston, Texas, ansässige Firma vertreibt elektrotechnische Produkte in Australien, Neuseeland, Indien, Mexiko, Kanada und in den USA, aber nicht in Europa. Nicht ohne Stolz verkündet sie auf ihrer Homepage, dass ein Teil ihrer Produkte immer noch in Aarau hergestellt werden...

Der Tagi-Hintergrundbericht endet damit, dass der "Spreng-Künstler" der Nation, Roman Signer, gute Sprengung wünscht. Letzlich mag die Sprengung des Schnorri+Schlarpi-Hochhauses ein toller Event für Schaulustige gewesen sein, doch bezüglich Poesie sind die Sprengungen von Roman Signer nach wie vor unübertroffen:


Kurzer Ausschnitt aus dem 1995 entstandenen filmischen Künstlerportrait Signers Koffer (Vollversion) von Peter Liechti (auf Youtube hochgeladen von lyplo)

Donnerstag, 7. März 2013

Stadt-Land-Graben

Letzten Sonntag hat die Schweiz wieder einmal abgestimmt. Zum fetten JA zur Abzockerinitiative beglückwünscht uns die halbe Welt. Aber ob sie tatsächlich ein probates Mittel gegen die Abzockerei in den Teppichetagen ist, wird sich in der Umsetzung erst noch weisen. Das JA zum Familienartikel in der Verfassung wurde durch ein fehlendes Ständemehr zu einem NEIN — und sofort wird die Abschaffung des Ständemehrs gefordert, was angesichts der Tatsache, dass die Stimme eines Appenzellers 41 mal mehr Gewicht hat als die Stimme einer Zürcherin, irgendwie nachvollziehbar ist. Aber das wichtigste JA, dasjenige zum neuen Raumplanungsgesetz, fand in den Medien das geringste Echo — zum Glück hat die Angstmacherei mit Horrormieten beim Stimmvolk nicht verfangen.

Dass der Familienartikel trotz 54.3% Ja am Ständemehr scheiterte, ist halb so schlimm, denn die notwendigen Kinderbetreuungsplätze werden in den Städten auch ohne diesen Verfassungsartikel geschaffen und in den Gebieten, wo das traditionelle Familienbild noch aufrecht erhalten wird, würden sie auch mit Verfassungsartikel nicht entstehen. Wo wohnt diese konservative Minderheit, für die "staatsbetreute Kinder" des Teufels sind?










Zum einen zeigt die interaktive Karte mit den Abstimmungsresultaten nach Bezirken sehr schön den Röschti- und Polentagraben in der Familienpolitik: Die französische und italienische Schweiz wünschen mit 70.2% bzw. 66.0% Ja eine staatliche Förderung der ausserfamiliären Kinderbetreuung, während die Deutschschweiz (48.8% Ja), v.a. in den konservativen, ländlichen Gebieten, noch auf das traditionelle Familienmodell setzt. Zum anderen zeigt sie aber auch, dass sich in dieser Frage ein Stadt-Land-Graben auftut: Die grösseren Städte und die urbaneren Gebiete im Mittelland und im Baselbiet haben den Familienartikel ebenfalls angenommen. (Von den grösseren Städten ist auf der Karte nur St. Gallen nicht zu erkennen, aber die Stadt hat als einzige Gemeinde des Kantons mit 54.7% Ja dem Familienartikel zugestimmt.) Je nach Siedlungstyp stimmten in den Städten und Agglomerationen 51.1% bis 63.2% dem Familienartikel zu, nur in den ländlichen Gemeinden lehnten durchschnittlich 54.1% den neuen Verfassungsartikel ab.

Noch deutlicher wird der Stadt-Land-Graben, wenn man obige Karte mit einer Karte der Bevölkerungsdichte in der Schweiz vergleicht:









Die interaktive Karte des Bundesamts für Statistik zeigt die Bevölkerungsdichte pro Gemeinde für das Jahr 2010 (und in Zehnjahresschritten zurück bis ins Jahr 1850). Quelle: www.bfs.admin.ch

Unbestritten war das Raumplanungsgesetz: Fast zwei Drittel der Stimmenden befürwortete die griffigeren Vorschriften, mit denen die PlanerInnen die Zersiedelung stoppen oder zumindest verlangsamen wollen. Ob dies gelingt, wird sich auch erst mit der Umsetzung des neuen RPG in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten herausstellen.










Abgelehnt wurde das neue RPG nur vom Kanton Wallis, zwei Waadtländer und einem Berner Bezirk sowie in den Nordtessiner Tälern und im Puschlav. Das Wallis ist diejenige Region, die mit der Rückzonung von zu grossen Bauzonen die grössten Probleme haben wird — verständlich, dass die Walliser, die auch in anderen Fragen sich nur ungern dreinreden lassen, das neue RPG mit satten 80.4% ablehnten. Unverständlich ist allerdings, dass die Walliser, die u.a. vom Tourismus leben und deshalb auf intakte Landschaften angewiesen sind, nicht schon längst etwas gegen die Zerstörung ihrer schönen Berglandschaft unternommen haben. Jetzt werden sie halt — wie schon bei der Zweitwohnungsinitiative vor einem Jahr — zu ihrem Glück gezwungen...

Auch bei dieser Abstimmung taten sich ein Röschti-und-Polenta-Graben und ein Stadt-Land-Graben auf, wenn auch diese Gräben etwas weniger tief waren als beim Familienartikel. Mit 51.8% bzw. 55.0% Ja stiess das Raumplanungsgesetz In der französischen und italienischen Schweiz auf wesentlich weniger Zustimmung als in der Deutschschweiz, die das neue Gesetz mit 66.8% Ja befürwortete. Während der Ja-Stimmenanteil von den urbanen Zentren zu den Agglomerationsgemeinden von 70.2% auf 63.2% abnimmt, haben die ländlichen Gemeinden mit 55.7% Ja deutlicher zugestimmt als die kleineren Landstädte, die keiner Agglomeration angehören und mit nur 53.7% Ja skeptischer waren. Zu vermuten ist, dass hier die Nein-Kampagne des Gewerbe- und des Hauseigentümer-Verbands noch am ehesten auf fruchtbaren Boden stiess, während sich auch in der ländlichen Bevölkerung allmählich die Erkenntnis durchsetzt, dass gegen die Zersiedelung etwas unternommen werden muss.

Quelle: Alle Karten und Zahlen stammen vom Bundesamt für Statistik.

Montag, 25. Februar 2013

Meh Dräck i de Tiwi-Wärbig

Man verzeihe mir das Schweizerdeutsch im Titel, aber in diesem Beitrag geht's um korrektes Schweizerdeutsch in der TV-Werbung, um Schmutz und Dräck. Viele Dialekt-Spots sind sprachlich einwandfrei, aber wenn die Werbetexter kein Schweizerdeutsch können, dann nervt das nur noch...

"Bang! And the dirt is gone!" Während dieser Claim von Cillit Bang mit "Bang! Und der Schmutz ist weg!" tipptopp ins Hochdeutsche übertragen wurde, bedeutet die Übersetzung ins Französische "Bang! Dites adieu à la saleté!" den höflichen Abschied vom Schmutz, was zwar nicht 1 zu 1 übersetzt, aber dennoch okay ist. Aber "Bäng! Und de Schmutz isch wägg!" ist kein richtiges Schweizerdeutsch, denn Schmutz ist "Dräck" — das wissen in der Deutschschweiz alle. Seit der Rockmusiker Chris von Rohr als Jurymitglied in der Talentshow MusicStar von den Kandidaten "meh Dräck" verlangte, entwickelte sich Meh Dräck zum Kultslogan und wurde 2004 in der Schweiz zum Wort des Jahres gewählt. "En Schmutz" hingegen ist etwas ganz anderes: ein Kuss. Rückübersetzt bedeutet der CH-Slogan also: Bang! Und der Kuss weg! Wenn schon Dialekt-Spots, dann ist es höchste Zeit, dass sich die Werber um korrektes Schweizerdeutsch bemühen: Bäng! Und de Dräck isch wägg!

Dienstag, 19. Februar 2013

Stadttour mit Wolff

Am Samstag lud der Zürcher Stadtratskandidat Richard Wolff zu einem einem Quartier-Rundgang "Hinter den 7 Geleisen". Zusammen mit Niklaus Scherr von der Alternativen Liste zeigte er auf, wie die SBB als Staatsbetrieb Volkseigentum an den Meistbietenden verhökert und die Stadtentwicklung vorantreibt. Ein solch kompetente Führung durch mein ehemaliges Wohnquartier konnte ich mir nicht entgehen lassen!


Die Besichtigungstour durch den Zürcher Kreis 4 führte von der Sihllpost zum Güterbahnhof (Basiskarte: maps.google.ch, zum Vergrössern auf die Karte klicken!)

Ideen und Pläne, wie man die zentral gelegenen Bahnareale in Zürich besser nutzen könnte, gab es schon immer. Ziemlich konkret wurden diese Pläne aber mit dem Projekt "HB Südwest" der Architektengemeinschaft Baenziger-Bersin-Schilling, die 1980 einen von SBB, Stadt und Kanton Zürich ausgeschriebenen Wettbewerb gewann. Ein Gestaltungsplan, der den Moloch über den Geleisen verhindert hätte, wurde nach einer Propagandaschlacht sondergleichen abgelehnt. Doch aus Rentabilitätsgründen wurde HB-Südwest nie realisiert — zu teuer ist das Bauen auf einer Betonplattform über den Geleisen. Das änderte sich auch nicht, als die UBS als Investor einstieg und dem Projekt einen neuen Namen verpasste: Eurogate. 2001 wurde Eurogate beerdigt und die UBS musste Projektierungskosten in zweistelliger Millionenhöhe abschreiben.

Geblieben ist die Idee, auf den nicht mehr benötigeten Bahnarealen zwischen Geleisefeld und Lagerstrasse ein neues Stadtquartier mit Hochschulen, Bürogebäuden und 500 Wohnungen zu bauen. 2006 stimmten die StadtzürcherInnen einem entsprechenden Gestaltungsplan zu — und seit 2009 ist der "halbe" HB Südwest tatsächlich in Bau, wenn auch das Projekt Europaallee mit dem ursprünglichen HB Südwest nur noch wenig gemeinsam hat.


1 Ein Campus für 3000 Studis


Blick vom Campusplatz zurück zur Sihlpost

Auf Baufeld A des neuen Stadtquartiers ist über einem Outdoor-Shoppingcenter im Sockelgeschoss ein neuer Stadtplatz entstanden. Um den Campusplatz gruppieren sich drei Gebäude der Pädagogischen Hochschule Zürich, die eine Top-Infrastruktur für die Ausbildung von 3000 zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer bieten, sowie ein Bürogebäude der Credit Suisse an zentralster Lage. Solche zentralen Lagen seien immer umkämpft, sagte Wolff, denn die wichtigste Frage in der Stadtentwicklung sei, wie eine solche Lage am sinnvollsten genutzt werde und wer über die Nutzung entscheiden könne.


2 SBB vergoldet Bahnareale


Im hintersten Gebäude auf dem Baufeld E entstehen Büro- und Verkaufsflächen sowie gehobene Stadtwohnungen und Penthouses.

Am 13.2.2013 titelte der Tages-Anzeiger: Die SBB versteigern Wohnungen an bester Lage — und AL-Gemeinderat Niklaus Scherr zitierte dazu seinen Leserbrief:

"(...) Nach Abschluss aller Wettbewerbe zeigt sich eine wenig erfreuliche Bilanz, die den Gegnern recht gibt: Insgesamt sollen in der Europaallee bloss 373 Wohnungen entstehen, davon 115 luxuriöse Eigentumswohnungen, 72 Apartments in einer Seniorenresidenz 'für gehobene Ansprüche' sowie 186 Mietwohnungen mit noch unbekannten Mietpreisen. Für die 46 Eigentumswohnungen auf Baufeld G, die jetzt an die Meistbietenden versteigert werden, investieren die SBB — ohne Landkosten — rund 35 Millionen Franken und können mit einem Erlös von rund 100 Millionen Franken rechnen. Aus dem Gewinn errechnet sich ein geradezu obszöner Landpreis von 71'000 Franken pro Quadratmeter. Wohlgemerkt für Land, das die SBB-Vorgängerin Nordostbahn von Alfred Escher vor 150 Jahren für gerade mal 1 bis 10 Franken pro Quadratmeter erworben hat! (...)" (TA vom 16.2.2013)


3 AL fordert sozialen Ausgleich


Im Kreis 5, auf der anderen Seite der Geleise, herrscht eine Pattsituation: Die Grundstücke zwischen Bahngeleisen und Zollstrasse gehören einerseits den SBB, andererseits der Stadt Zürich.

An der Zollstrasse im Kreis 5, wo die SBB nur gemeinsam mit der Stadt ein Projekt realisieren können, will die AL Gegensteuer geben und fordert zum Ausgleich den Bau von gemeinnützigen und zahlbaren Wohnungen. Wolff meinte, Ziel der Stadt Zürich sei es, den Anteil an gemeinnützigem Wohnraum zu steigern, aber auf den SBB-Arealen passiere genau das Gegenteil.


4 Luxuswohnungen statt Rangierarbeiter

 
Der Blick zurück auf die Baustelle an der Europaallee und ein neuer SBB-Wohnbau an der Geleisefront bei der Langstrassenunterführung

Früher standen gemäss Niklaus Scherr an Stelle des weissen Wohnblocks mit Luxuswohnungen Wohnhäuser einer SBB-nahen Institution. In den günstigen Wohnungen wohnten Rangierarbeiter und ihre Familien. Mit dem Argument, sie brauchen den Platz für zusätzliche Geleise, gelang es den SBB, ihre eigenen Arbeiter aus ihren Wohnungen zu drängen, die Häuser abzubrechen und Luxuseigentumswohnungen zu erstellen, die innert einer Stunde verkauft waren. Besonders stossend an dieser Geschichte ist, dass in den günstigen Wohnungen auch IV-Rentner gewohnt hatten, die sich beim Rangieren eine Staublunge geholt hatten, weil früher die Bremsbeläge aus Asbest bestanden.


Neue Luxuswohnungen an der Neufrankengasse. Auf der Bauwand steht: Ich würde ja sofort eine Luxuswohnung plattmachen — ich bin aber nur ein Plakat.

Daran dass an der Neufrankengasse, der Fortsetzung der Lagerstrasse, die Häuser abgerissen und mit Luxuswohnbauten ersetzt wurden, sind für einmal nicht die SBB schuld, sondern die Stadt Zürich, die für eine neue Tramlinie die Baulinien zurückversetzt hat. Dadurch wurde es unrentabel, die alten baufälligen Häuser zu renovieren.


5 Verdichtung = mehr Wohnfläche für weniger Leute


Ehemaliges Wohnhaus des Kulturflaneurs an der Schöneggstrasse 34

Die Verdichtung durch den Abbruch von alten Gebäude und den Bau von neuen Gebäuden mit höherer Ausnützung heisst noch lange nicht, dass dann in diesen Gebäuden auch mehr Leute wohnen — im Gegenteil: Da die Wohnfläche pro Person laufend zunimmt, wohnen auf der gleichen Fläche immer weniger Leute, wie dieses Haus an der Schöneggstrasse 34, das ich aus eigener Anschauung gut kenne, zeigt:

1888/92 wohnten in den zehn 3-Zimmer-Wohnungen mit jährlichen Mietzinsen zwischen 400 Franken im abgeschrägten Dachgeschoss und 450 Franken im Parterre 18 Partien mit total 68 Personen. Als ich 1987 in diesem Haus wohnte, waren die gleichen zehn Wohnungen mit monatlichen Mieten zwischen 600 und 800 Franken (je nach Mietdauer und Renovationsgrad) mit 9 Partien und total 21 Personen belegt. In rund hundert Jahren hat sich also die Miete verzwanzigfacht, während die Belegungsdichte auf 30% gesunken ist.

In den 25 Jahren seither ist — soviel ich weiss — das Haus saniert und das Dachgeschoss ausgebaut worden. 2010 bot jemand, der auf eine Weltreise ging, im Internet seine möblierte 2-Zimmer-Wohnung in diesem Haus für 1200 Franken alles inklusive an. Die Miete hat sich also nochmals fast verdoppelt. Anzunehmen ist auch, dass die Belegungsdichte weiter abgenommen hat und heute in jeder Wohnung nicht viel mehr als eine Person wohnt.

6 Stadtbiotope in der Schneise fürs Tram

 

Urbane Freiräume am Gleisbogen

Obwohl das "Märlitram" sicher nicht vor 2025, wohl aber gar nie kommt (vgl. NZZ vom 11.10.2011), hat die 2008 beschlossene Veränderung der Baulinien bereits Auswirkungen: An der Neufrankengasse sind Schickimicki-Wohnbauten entstanden und an der Stadtkante am Gleisbogen muss die Stadt die SBB mit 12 Millionen Franken entschädigen, obwohl noch kein Meter von der neuen Tramschneise realisiert worden ist.

Andererseits: Wo nichts mehr geht, weil die alten Bauten weg müssen, aber das Neue — hier die Tramlinie 1 — noch nicht und vielleicht nie kommt, entstehen urbane Freiräume, in denen sich wenig zahlungskräftige, dafür aber flexible Nutzungen ansiedeln und die Kreativität aufblüht.


7 Verlorener Kampf gegen das PJZ


Dieser seltsame Betonpilz im Kohlendreieck ist das neue Baudienstzentrum der SBB.


Dem Abbruch geweiht: Der Güterbahnhof, seinerzeit der modernste in ganz Europa

Vor dem stillgelegten Güterbahnhof kommen Erinnerungen auf: z.B. an die Panduren, wie die Taglöhner genannt wurden, die noch vor zehn, zwanzig Jahren hier rumgehangen sind und auf einen Job gewartet haben, sei es auf dem Bau, sei es bei einem Zügelunternehmen. Richard Wolff erinnert auch an den verlorenen Kampf vom Verein Güterbahnhof gegen das 600 Millionen teure Justiz- und Polizeizentrum, das anstelle des Güterbahnhofs gebaut werden soll. Leider sprach sich das Zürcher Stimmvolk 2011 mit 54.2% der Stimmen relativ klar für das neue PJZ aus. Das heisst natürlich auch, dass die Tage der zahlreichen Zwischennutzungen im Güterbahnhof gezählt sind — von einem Weinlager über einen Alteisenhändler, einen Cembalo-Bauer und eine Autonome Schule für Sans-Papiers bis zur Kunstausstellung gibt's hier nämlich alles. Schade, schade auch um das 1897 entstandene Gebäude, das damals als Bau derart innovativ war, dass seine Sägezahnrampen danach international zur Anwendung gelangten. Wolff meinte, dass Gebäude gehörte ins UNESCO-Weltkulturerbe...


Auf der einen Seite dieses Sägezahn-Güterbahnhofs wurden Güterwagen entladen, auf der anderen beladen: Unter dem Dach eines "Sägezahns" hatten drei Güterwagen Platz. Hinter dem denkmalschutzwürdigen Güterbahnhof wachsen die Hochhäuser von Zürich-West in den Himmel.

Bleibt zu hoffen, dass wenigstens das Kasernenareal, das durch den Bau des PJZ frei wird, voll und ganz der Stadtzürcher Bevölkerung zu Gute kommt!


8 Kunst im Sägezahn-Güterbahnhof



Im Uhrzeigersinn: Ein "Sägezahn" als Galerie — Karl Geisers Vorlage für das Denkmal der Arbeit auf dem Helvetiaplatz — Köpfe von Otto Müller — Skulpturen von Trudi Demut

Die Stiftung Trudi Demut und Otto Müller zeigt im alten Güterbahnhof viele Werke von Trudi Demut, Otto Müller sowie KünstlerInnen, die im Atelierhaus an der Wuhrstrasse tätig waren oder sind, oder aus deren Umfeld stammen. Die Geschichte dieses Atelierhauses hier auch noch aufzurollen, wäre zwar spannend, würde aber eindeutig zu weit führen. Noch bis Ende April vermittelt diese Ausstellung einen grossartigen Überblick über das Stadtzürcher Kunstschaffen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts — in den interessanten Räumlichkeiten des alten Güterbahnhofs.


Unsere Stadtwandergruppe an der Führung durch die Ausstellung "Weitblick — Trudi Demut und Otto Müller, Wuhrsträssler und Wuhrverwandte über Alles und Jenes und Weiteres hinaus" in der Kunsthalle im alten Güterbahnhof

Kuratiert wurde diese Ausstellung von Ralph Baenziger, der auch durch die Ausstellung führte, also ausgerechnet von jenem Ralph Baenziger, der 1980 mit seiner Architektengemeinschaft und dem Projekt HB Südwest den Wettbewerb um die Neugestaltung des südwestlichen Bahnhofgeländes gewonnen hatte (siehe am Anfang dieses Beitrags). In der Folge hat er zwei Jahrzehnte lang am Projekt HB Südwest / Eurogate gearbeitet, das nie realisiert wurde. Auch mit über 70 ist Ralph Baenziger immer noch eine Saftwurzel, der mit viel feu sacré und Nonchalance durch die Ausstellung führte und sich hin und wieder einen Seitenhieb auf das Zürcher Establishment nicht verkneifen konnte.

Ralph Baenziger, Architekt und Ausstellungskurator

Fazit: Auf der Stadttour "Hinter den 7 Geleisen" habe ich einiges über Zürich, Stadtentwicklung und die SBB als Akteur gelernt. Und: Richard Wolff, Geograf und ein alter Freund von mir, kennt seine Stadt wie seinen Hosensack. Deshalb wird er sich als Zürcher Stadtrat gut machen und ich würde ihn — wäre ich in Zürich wahlberechtigt — mit Überzeugung in die Stadtregierung wählen: Zürich braucht einen Wolff mit Biss!

Dienstag, 12. Februar 2013

Hymne auf den Voralpenexpress II

Auch wenn es gerade wieder mal schneit, habe ich langsam genug vom Winter und von winterlichen Bildern. Deshalb kommen hier Bilder von einer Fahrt mit dem Voralpenexpress, spätsommerliche Bilder, die ganz und gar nicht zur Jahreszeit passen. Ausserdem kann ich mit der Fortsetzung der Hymne auf den Voralpenexpress einen der guten Vorsätze vom Jahreswechsel abhaken.


Dieses Bild, das ich gestern am Rotsee aufgenommen habe, zeigt, dass ich mich gar nicht beklagen darf, war doch genau vor einem Jahr der Göttersee steif und starr gefroren. Am gegenüberliegenden Ufer ist das Zielgelände der Ruderer zu sehen. Bei den blauen Baustelleninstallationen entsteht der neue Zielturm für die Zeitmessung.

Ende September letzten Jahres hatten wir wieder einmal einen Grund für eine Fahrt mit dem Voralpenexpress. Auch auf dem zweiten Streckenteil vom Zürichsee bis nach St. Gallen führt der VAE durch landschaftlich reizvolle Gegenden: das Toggenburg, das Neckertal und die Hügel von Appenzell-Ausserrhoden.


Auf den Fensterbrettern des VAE zeigt eine Karte die Strecke: (Luzern - Küssnacht - Arth-Goldau - Biberbrugg) - Pfäffikon - Rapperswil - Utznach - Wattwil - Herisau - St. Gallen und weiter bis nach Romanshorn an den Bodensee. (Die roten Zahlen beziehen sich auf die Zwischentitel im nachfolgenden Text.)

1 Zürichsee, Ufenau und Lützelau


Dieses Bild ist am selben Ort aufgenommen wie das letzte Bild in der Hymne auf den Voralpenexpress I, in der Steueroase Wollerau. Es zeigt die Aussicht auf die beiden Zürichsee-Inseln Ufenau und Lützelau.


Nach einem Halt in Pfäffikon (SZ) fährt der Voralpenexpress über den Seedamm nach Rapperswil. Ein schiffbarer Kanal verbindet den Zürichsee mit dem Obersee.

2 Die Rosenstadt Rapperswil


Rapperswil gehört bereits zum Kanton St. Gallen, was die Zürcher Band Babyjail schon vor Jahrzehnten mit einem Song beklagte: vgl. D' Sankt Galler stönd scho z'Rapperswil auf Youtube. Rapperswil ist ein schönes Städtchen, das einiges zu bieten hat: Schloss mit Hirschpark und Polenmuseum (Dass sich hier früher das Polnische Nationalmuseum befand, ist eine Geschichte für sich...), einen wunderbaren Rosengarten, Knie's Kinderzoo etc. etc.

Rapperswil hat aber auch ein grosses Problem: Das schmucke Städtchen ist geplagt vom Verkehr, der sich Tag und Nacht durch seine Strassen wälzt, weil der ganze Verkehr über den Damm vor Rapperswil gebündelt und durch die Stadt geführt wird. Unter diesem Flaschenhals mitten im Städtchen leidet Rapperswil nun schon lange — aber eine Lösung dieses Problems ist in weiter Ferne.

3 Zugskreuzung in Uznach


Da die Voralpenexpresslinie grösstenteils eingleisig ist, muss der Zug immer wieder Gegenzüge abwarten, so auch in Uznach am Rand der Linthebene zwischen Zürichsee und Walensee.

4 Am Ende des Lochs wartet das Toggenburg


Nach Uznach fährt der Voralpenexpress dem Hang entlang eine Rampe hoch und verschwindet über der Linthebene in einem langen Tunnel, der den Rickenpass unterquert. Kommt der Zug am anderen Tunnelende wieder ans Tageslicht, hält er alsbald in Wattwil im Toggenburg, wo bei schönem Wetter viele Tagesausflügler ein- und aussteigen. Nach Wattwil bleibt der Zug nur kurz im Toggenburg und verschwindet dann bei Lichtensteig — einem schönen Ort, den ich bis jetzt nur vom Vorbeifahren kenne — wieder in einem Tunnel, der ins benachbarte Neckertal führt.

Lichtensteig

5 Wohltuend grünes Niemandsland







Das grüne Hügelland im Grenzgebiet zwischen den Kantonen St. Gallen und Appenzell-Ausserrhoden ist spärlich besiedelt. Hier ist die Landschaft noch intakt und nur wenige Einzelhöfe, die typisch sind für diese Region, huschen vorbei — welch wohltuender Gegensatz zu den zersiedelten Zonen am Zürichsee.

6 Herisauer Viadukt und die Brücke übers Sittertobel


Der Herisauer Viadukt mit einem Voralpenexpress (Bild: der Wedeler auf der deutschen Eisenbahner-Plattform Drehscheibe online — der Eisenbahnfan hat auf seinem Beitrag noch mehr schöne Bilder von der SOB-Strecke Wattwil bis Herisau)

Gemäss Volksmund — so schreibt mein Kreuzkollege felu — habe an diesem Viadukt Mussolini, der nachmalige Duce, mitgearbeitet und zwar als einfacher Wanderarbeiter. Was für eine Story, wenn der Volksmund recht hat!


Eindrücklich ist auch der Blick von der Brücke übers Sittertobel kurz vor St. Gallen. Vom höchsten Eisenbahnviadukt der Schweiz sind talabwärts zwei weitere Brückenbauwerke zu sehen: der Eisenbahnviadukt der Linie Gossau - St. Gallen und die Strassenbrücke über die Sitter.

7 St. Gallen — wir kommen!


Der Voralpenexpress bei der Einfahrt in den Bahnhof von St. Gallen. Hier stiegen wir aus. Vielleicht müsste ich mal sitzen bleiben und bis an den Bodensee nach Romanshorn weiterfahren. Ein allfälliger Teil III dieser Hymne wäre aber sicher nicht so lang wie die ersten beiden Teile, denn von St. Gallen ist es nicht mehr weit ans schwäbische Meer...

Der St. Galler Bahnhof von unserem Zimmer im Hotel Metropol (Zum Vergrössern aufs Bild klicken!)


Einerseits fasziniert mich dieses verspiegelte Gebäude am St. Galler Bahnhofplatz, andererseits wirkt es ein wenig charakterlos, weil es nur die Umgebung widerspiegelt.

8 Dunst über der Linthebene


Auf der Rückfahrt habe ich noch ein paar wunderschöne Stimmungen eingefangen, wie diesen Blick von Kaltbrunn über die Linthebene Richtung Ziegelbrücke und Glarnerland.

9 Schöne Stimmung auch am Obersee


Schmerikon am oberen Ende des Obersees ist immer wieder eine Reise wert: Als Belohnung nach der Wanderung von Rapperswil nach Scherikon gibt es im Restaurant Bad am See wunderbare Fischgerichte. Oder wie wär's mit einer Kreuzfahrt auf dem Zürich- und dem Obersee? Das Schiff, das von Zürich über Rapperswil und durch den Damm nach Schmerikon fährt, verkehrt nur im Sommer und braucht für die ganze Längsfahrt über 3 Stunden, von Rapperswil sind es noch 1½ für einen Weg, aber diese Kreuzfahrt ist sehr reizvoll.


Eine Wanderung wert ist auch der 2001 rekonstruierte Pilgersteg von Rapperswil nach Hurden. Er ist Teil der Schweizer Jakobswege, die von Konstanz und Rorschach über Einsiedeln und die Innerschweiz nach Genf führen (vgl. auch Gegen den Strom pilgern).

Fazit: Der Voralpenexpress ist immer eine Reise wert, denn er liefert schöne Bilder und gute Geschichten.

Samstag, 9. Februar 2013

Winterlicher Scherenschnitt

Als Jahreszeit mag ich den Winter nicht besonders — die Temperaturen sind mir zu tief und die Tage zu kurz. Aber als Lieferantin schöner Stimmungsbilder mag ich die kalte Jahreszeit sehr, macht sie doch aus dem Ausblick von unserem Dachfenster kurzerhand einen Scherenschnitt:

Eisiger Ausblick von unserem Dachfenster am 9.2.2013

Die kalte Jahreszeit beschert uns nicht nur zauberhafte Scherenschnitte, sondern auch diesen wunderbaren Sonnenaufgang:

Das Panorama von Dachfenster am 6.2.2013 um 8 Uhr 06 (Zum Vergrössern aufs Bild klicken!)

Kurz nach Sonnenaufgang zeigt der Blick nach Norden einen grösstenteils bedeckten Himmel und einige sonnige Streifen. Das Streifenschauspiel, das einem Föhnfenster im Südosten zu verdanken war, währte nur etwa zehn Minuten lang, dann verschwand die Sonne hinter der Wolkendecke.

Impressionen aus dem winterlichen Luzern vom 3.2.2013:

Luzerns Stadtmauer vom Château Gütsch. Erstmals habe ich die beiden Neubauten im Wettsteinpark (im Bild oben links) gesehen — obwohl ich verdichtetes Bauen in der Stadt begrüsse, finde ich, dass der linke der beiden Wohnblöcke doch etwas zu gross geraten ist.

Die Altstadt und das Luzerner Seebecken. Heraus sticht der weisse Neubau im Vordergrund. Diese neue Blockrandbebauung auf dem Tagblattareal fügt sich gut ins Quartier ein: Hier wurde das Stadtpuzzle erfolgreich vervollständigt.

Vor einem Jahr habe ich in Wanderung an der Nebelgrenze schon einmal über das Château Gütsch geschrieben. Das weit herum sichtbare Luzerner Wahrzeichen ist ein Politikum: Seit 2007 gehört das weisse Märchenschloss dem russischen Multimilliardär Alexander Lebedew, der grosse Pläne hatte, um das Château aus seinem Dornröschenschlaf aufzuwecken, doch bis ist ausser dem Abbruch der Talstation der Gütschbahn und leeren Versprechungen gar nichts passiert. Von der Stadt unter Druck gesetzt, hat die Château Gütsch Immobilien AG wieder einmal versprochen, in der zweiten Februarhälfte mit der Innenrenovation zu beginnen (vgl. NLZ online vom 29.1.2013). Mal sehen, ob Lebedev diesmal seine Versprechungen hält, sollte doch das Restaurant Gütsch schon seit August 2012 wieder offen sein...

Winterstimmung zwischen Obergütsch und Sonnenberg

Nicht nur das Château Gütsch steht leer, auch das Schulhaus Gabeldingen, das der Gemeinde Kriens gehört. Es mangelt nicht an Schulkindern, sondern an Geld, um das alterwürdige, aber einsturzgefährdete Schulhaus zu sanieren. Am letzten Wochenende, als dieses Foto entstand, wurde in der Agglomerationsgemeinde zum xten Mal über das Budget abgestimmt. Die mit einer Steuererhöhung verbundene Vorlage wurde diesmal mit einer satten Mehrheit von 60% Ja angenommen. Damit ist der Weg frei für die Schulhaussanierung — und Kriens erspart sich das Gespött der LuzernerInnen, die fusionsunwillige Gemeinde sei ja nicht mal in der Lage, ihre Schulhäuser in Stand zu halten.

Mittwoch, 6. Februar 2013

Baden im Nebelmeer

Nach einem Ausflug in die Klee-Hauptstadt setzten wir unsere zerstückelten Winterferien zwei Tage später mit einem Ausflug auf die Rigi fort. Hochnebel war angesagt mit einer Obergrenze bei 1500 Meter, Tendenz steigend. Für die Rigi Scheidegg (1661 m.ü.M.) würde es also knapp werden, deshalb griffen wir zu Plan B, fuhren auf die Rigi Kulm (1798 m.ü.M.) und hatten richtig spekuliert.

Unter dem Nebel



Der Blick von der Seebrücke in die Alpen — man würde nicht meinen, dass Luzern eine Alpenstadt ist.


In Arth-Goldau wird die Talstation der Rigibahn umgebaut — zur provisorischen Station ist es ein 300 m langer Fussweg.

Nach gut halbstündiger Fahrt mit der Zahnradbahn erreichen wir auf Rigi Staffel (1601 m.ü.M.) die Nebelgrenze. Eine Viertelstunde später stehen wir auf der Kulm und es hat sich gelohnt:

Über dem Nebel


Frau Frogg fotografiert das Nebelmeer.


Der Rundblick über dem Nebel ist toll, wie Kulturflaneurs Schnellpanorama zeigt (zum Vergrössern aufs Bild klicken!): Er reicht vom Mittelland übers Säntismassiv, die Glarner, Urner und Berner Alpen bis zum Pilatus, dem Luzerner Hausberg. Die Rigi Scheidegg — unser ursprüngliches Ziel gemäss Plan A — versinkt allmählich im Nebelmeer.


Der Blick in die Tiefe auf den Schatten der Rigi auf dem Nebelmeer.

Nach dem Mittagessen machen wir uns auf den Weg zurück ins Nebelmeer. Die Nebelgrenze ist inzwischen schon wieder um 100 Meter gestiegen. Grund für ihr Steigen ist eine Nordströmung über die Alpen, die den Nebel gegen die Berge drückt.


Das Bild zeigt zwei Zahnradbahngeleise, die von der Staffel parallel auf den Kulm führen: die linken gehören der 1875 eröffneten Arth-Rigi-Bahn und führen nach Arth-Goldau hinunter, die rechten gehören zur Vitznau-Rigi-Bahn, die 1871 als als erste Bergbahn Europas eröffnet wurde. Mehr als hundert Jahre lang betrieben die rote VRB und die blaue ARB ihre Bahnen auf den Berg der Berge ohne jegliche Verbindung, ja zeitweise bekämpften sie sich bis aufs Blut. Die VRB musste die Strecke Staffelhöhe - Staffel - Rigi Kulm von ihrer Konkurrenzbahn pachten, weil nur diese eine Konzession für den im Kanton Schwyz liegenden Streckenteil besass (vgl. Wikipedia). Erst 1992 fusionierten die beiden Bahnen sowie die Luftseilbahn Weggis - Rigi Kaltbad zur Rigi Bahnen AG und bauten ein Verbindungsgeleise.


Die Vitznau-Rigi-Bahn auf Talfahrt nach Vitznau am Vierwaldstättersee.

Im Nebel

Mit dem Badezeug im Rucksack tauchen wir ein in den Nebel und wandern abwärts nach Kaltbad.


Eine Föhre voll von Rauhreif im nebelfeuchten Kaltbad.

In Kaltbad wollen wir das von Mario Botta gestaltete und kürzlich eröffnete Mineralbad & Spa testen:


Das neue Botta-Bad mit kristallartig gestalteten Oblichtern, ...


... mit einem für Botta typischen Treppenhaus und ...


... einem Aussenbecken mit vernebelter Bergsicht.

Wo jahrelang ein hässliche Bauruine an eine Fehlspekulation erinnert hat, ist mit dem Mineralbad eine neue Attraktion entstanden, die die Rigi touristisch aufwertet (vgl. Artikel im Tages-Anzeiger vom 29.8.2009: Bad statt Bordell: Die glorreiche Geschichte des Botta-Tempels auf der Rigi). Doch ein Botta-Tempel macht aus Kaltbad noch keinen mondänen Ort: Kaltbad wird auch an schönen Tagen, wenn es voll von Sonnenhungrigen ist, immer etwas bieder und verschlafen wirken. An diesem hochnebligen Tag haben sich nur wenige ins neue Bad verirrt — wir haben also das Bad fast für uns und geniessen die wohltuend nüchterne Atmosphäre.

Wieder unter dem Nebel

Nach zwei Stunden haben wir genug vom Baden im Nebel und fahren nach Vitznau hinunter, wo wir noch ein Holdrio oder zwei trinken und dann das Schiff nach Luzern besteigen.


Blaue Stunde in Vitznau: das Depot der VRB
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