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Mittwoch, 25. September 2013

Und die Trophäe geht an...

Nachdem ich letzten Freitag zum Halali auf den Freitagstexter geblasen habe, wird heute für einmal kein Pokal, sondern eine Jagdtrophäe vergeben. Was mir allerdings angesichts der vielfältigen Textstrecke nicht einfach gefallen ist.


Jagdliches Brauchtum: Das Verblasen der Strecke nach einer Jagd. Bild: Bundesarchiv

Die Jagd war erfolgreich: Die Textstrecke, die hier verblasen wird, umfasst 15 Vorschläge. Darunter sind einige kapitale Legenden, die auf der Jagd nach dem Freitagstexter vom 20.9.2013 erlegt wurden:



Hirsch in Bronze
Gleich zwei Bronzehirschen gehen an den Wortmischer für "Flucht der Einradtruppe aus dem Zirkus Roncalli" und für "Fabrikation eines 'Summer Skirt' (rechts) durch eine Näherin aus Bangladesch (unten) in der Tretmühle von H (oben) & M (links)", zum einen, weil er die fahrradfahrerischen Qualitäten von Familie Steinlauf bei der Testfahrt mit dem Goofybike in Chicago am besten zum Ausdruck bringt, zum anderen für die einfallsreiche Beschreibung des ausbeuterischen Produktionssystems von H & M.


Hirsch in Silber
Den silbernen Hirsch gewinnt nömix mit seinem Heinzelmann-Gedicht "Es fährt und näht der Heinzelmann / wo Mutti sonst nur nähen kann." — wurden doch Heinzelmänchen und -frauchen, die sonst nur im Verborgenen wirken, bis anhin noch nie gesichtet und schon gar nicht auf einem Velo mit Nähmaschine...


Hirsch in Gold
Halali! Der goldene Hirsch und damit auch Ehre und Pflicht, den nächsten Freitagstexter auszurichten, gehen an das bee für die hervorragende Kombination von Fahrradfahren und Nähen: "Der sprichwörtlich miserablen Qualität der Radlerhosen verdankte Odile ihren Ruf als unverzichtbarer Bestandteil der Tour de France." Die Vorstellung, das Odile im Begleittross der Tour mitfährt und fahrend die geplatzten Radlerhosen flickt, hat mich amüsiert. Herzliche Gratulation und Merci für diesen augenzwinkernden Seitenhieb auf den immer aufwändigeren Sportanlass.


Und hier biegt der Tour-Tross zum nächsten Freitagstexter ab:



Die ewige Bestenliste auf Twitter: twitter.com/Freitagstexter

Freitag, 20. September 2013

Die Jagd ist eröffnet

Vielen Dank an Shhhhh für den famosen Pokal und die Ehre, wieder einmal den Freitagstexter ausrichten zu dürfen. Ich habe mich für ein Bild aus der Kategorie "Total unnütze Erfindungen" entschieden — die Jagd auf den Freitagstexter ist also eröffnet!



Voilà, hier der neue Freitagstexter:


Bildquelle: www.stellasmagazine.com

Die schusswaffenfreie Jagd auf den Freitagstexter läuft noch bis Dienstag, 24. September 2013, um 23:59 Uhr. Alle, die glauben, den Vogel abgeschossen zu haben, können ihre Beute in einem Kommentar präsentieren. Die schönste, witzigste, coolste Jagdbeute wird am Mittwoch prämiert und der Gewinner oder die Gewinnerin der begehrten Trophäe darf den nächsten Freitagstexter ausrichten. Mitmachen dürfen alle, gewinnen können aber nur FreitagstexterInnen mit eigenem Blog.

Ich freue mich schon jetzt auf Eure Jagdbeute!

Sonntag, 1. September 2013

Bye, Bye, Dresden

An Tag 10 in der Sächsischen Schweiz ist das Wetter so regnerisch, dass ich einen Lesetag einlege und Frau Frogg Mühe hat, mich zu einem Regenspaziergang zu überreden. Ausserdem ist Kofferpacken angesagt, denn unsere Ferien sind leider schon zu Ende.

Regentag in Bad Schandau

Von den zweieinhalb Wochen Ferien in Meissen, Dresden und der Sächsischen Schweiz hatten wir zwei Wochen lang unglaubliches Wetterglück: Es regnete nur zweimal ein wenig — und das nachts. Die letzten drei Tage jedoch waren wettermässig nicht mehr besonders. An Tag 10 regnet es immer wieder und manchmal recht ergiebig. Als der Regen mal nachlässt, machen wir einen Spaziergang durch Bad Schandau. Am Elbquai sind Arbeiter daran, die Bäume aus dem Fluss zu holen, die die Schifffahrt immer noch behindern...


Dresdner Stadtbummel, Teil III

An Tag 11 regnet es zwar nicht mehr, aber es ist kühl und windig — Hochsommer wäre anders. Auf dem Weg zum Flughafen stoppen wir in Dresden, deponieren das Gepäck im Hauptbahnhof, machen nochmals einen Stadtbummel und sehen Dresden so, wie Canaletto die Stadt nie und nimmer gemalt hätte:

Ein fast endloses Gebäude an der Prager Strasse, einer Fussgängerzone, die vom Hauptbahnhof ins Stadtzentrum führt — gigantisch!

Kein Bergkristall, aber ein Gebäude mit interessanter Fassade: das 3D-Kino an der Prager Strasse


Kürzeststadtrundgang

In Dresden für Kurzentschlossene hat Frau Frogg zwei Stadtrundgänge verglichen, die versprechen, die Essenz Dresdens zu vermitteln. Den einen habe ich in Dresdner Stadtbummel, Teil I und Teil II beschrieben, den anderen — Detlev Krells Kürzeststadtrundgang — testen wir an unserem letzten Ferientag: Wir umrunden die Käseglocke auf dem Postplatz.


"Wie eine weite Reise" verspricht die Werbung auf dem Haus hinter der Käseglocke — tönt doch verheissungsvoll für einen Stadtrundgang in 60 Schritten.

Der Kürzeststadtrundgang hält, was er verspricht: Wir sehen das imperiale Dresden, den Zwinger, das kulturelle Dresden, das Staatsschauspiel, das Plattenbau-Dresden der 60er und 70er Jahre, das Dresden der Plätze und grossen Strassenachsen etc. etc.



Trotzdem bin ich ein bisschen enttäuscht, denn die Umrundung ist nicht wie eine weite Reise, sondern ein Trip ins urbane Niemandsland: Der Postplatz wirkt merkwürdig blutleer — das früher pulsierende Zentrum Dresdens ist fast menschenleer...

Altmarkt mit Kulturpalast und Frauenkirche

Auch der Altmarkt, eine riesige Freifläche ist fast menschenleer — vielleicht liegt's am kühlen und windigen Wetter, vielleicht aber auch daran, dass die Dresdner ihre Einkaufsmeile in die benachbarte Altmarkt-Galerie mit rund 200 Indoor-Geschäften verlegt haben. Und auch das grösste Einkaufszentrum Dresdens, die Centrum-Galerie ist nur 150 Meter weiter an der Prager Strasse. Vielleicht sind ja die DresdnerInnen alle beim Einkaufen?

Baugrube an der Prager Strasse: Was immer hier gebaut wird — es ist nicht klein.


Heimreise mit Wehmut

Wir hätten es gut und gern noch ein, zwei Wochen länger in Dresden und Umgebung ausgehalten, deshalb reisen wir mit etwas Wehmut nach Hause. Den Kopf voll von Geschichten und Bildern, nehmen wir Abschied von...



... der Yenidze, Dresdens Zigarettenmoschee, ...



... werfen einen letzten Blick auf die Stadt und die Riverfront ...



... und sagen: Hello Basle, hello Switzerland, we are back!

Fazit: Es waren schöne und erlebnisreiche Ferien — nur leider viel zu kurz. Deshalb: Wir kommen wieder, wann ist allerdings noch offen...

Mittwoch, 21. August 2013

"Wir dampfen wieder!"

Zu Beginn unserer Ferien war die Schifffahrt auf der Elbe wegen Hochwassers gänzlich eingestellt. Zuerst nahmen die Fähren über den Fluss ihren Betrieb wieder auf, aber für Längsfahrten war die Elbe noch gesperrt, der Fluss musste zuerst von Schwemmholz und anderem Treibgut befreit werden. Abschnittweise wurde die Elbe für die Schifffahrt freigegeben und Schritt für Schritt nahm die Sächsische Dampfschifffahrt wieder ihren Betrieb auf — und wir hofften, dass es vor Ferienende noch für eine Dampferfahrt reichen würde.


Sächsische Dampfschifffahrt eingestellt


Lange war ans Dampferfahren auf der Elbe gar nicht zu denken — wir waren froh, dass wenigstens die Fähren wieder fuhren.


Am 12. Juni in Dresden: Die Dampfschiffe waren nur per Boot erreichbar...

Vom 2. bis 14. Juni musste die "Weisse Flotte" ihren Betrieb einstellen, dann teilte die Sächsische Dampfschifffahrt auf Facebook mit: "Wir machen wieder Dampf!" — musste sich aber auf Rundfahrten in Dresden beschränken.


Am 20. Juni in Prossen: Etwa ein Drittel der Flotte lag immer noch im Winterhafen.

Am Freitag, 21. Juni, lasen wir die Mitteilung, dass am Samstag die Längsfahrten wieder aufgenommen würden — vorerst auf dem Abschnitt zwischen Dresden und Königstein — wir waren hoch erfreut.


Am 21. Juni in Bad Schandau: Im 5-Stern-Hotel Elbresidenz wurde mit Hochdruck an der Instandstellung gearbeitet, trotzdem bleibt das vom Hochwasser stark beschädigte Hotel noch bis Ende Jahr zu. An der Ticketverkaufsstelle der Sächsischen Dampfschifffahrt tat sich noch nichts...


...und an der Schifflände staute sich das Schwemmholz.


Es klappt also doch noch!

Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, dann klappt es an Tag 9 in der Sächsischen Schweiz doch noch. Per Bus fahren wir nach Pirna. Nach einer kleinen Stadtbesichtigung besteigen wir den ältesten Raddampfer der Sächsischen Dampfschifffahrt, die Stadt Wehlen mit Baujahr 1879:


Am 24. Juni in Pirna: Wir schiffen uns auf dem PD Stadt Wehlen ein.





Erste Eindrücke an Bord: Schaufelrad — Schiffsmotor in Aktion — Salon unter Deck — Rettungsboot


Fahrt auf dem Fluss

Noch haben erst wenige realisiert, dass die Sächsische Dampfschifffahrt wieder dampft, so dass wir den Raddampfer fast für uns alleine haben — um so mehr geniessen wir die Fahrt auf dem Fluss:


Der Bagger auf dem Schubkahn fischt Bäume aus dem Fluss.


Vom Raddampfer aus sehen wir nochmals die Basteifelsen...


... und den Lilienstein.


Dann kreuzen wir den Raddampfer Pirna, der flussabwärts fährt.


Königstein — wir kommen!

Unterwegs gibt es viel zu sehen, denn wir dampfen an all den schönen Ausflugszielen der Sächsischen Schweiz vorbei: am Städtchen Wehlen, an den Basteifelsen, am Kurort Rathen, am Lilienstein und am Königstein:





Festung Königstein — PD Leipzig — vor der Landung in Königstein — unser Dampfschiff: die ehrwürdige Stadt Wehlen


Flusskreuzfahrt ahoi!

Auch die Flusskreuzfahrtschiffe fahren wieder:


Am 25. Juni in Bad Schandau: Etliche Busse bringen die Passagiere vom verregneten Landgang wieder zurück zu ihrem Schiff "Clara Schumann"


Fazit: Eine Schifffahrt ist lustig, eine Schifffahrt ist schön, ganz besonders, wenn sie so lange herbeigesehnt wird — ein schöner Abschluss unseres Aufenthalts in der Sächsischen Schweiz, obwohl das Wetter nur halb mitspielte.

Donnerstag, 15. August 2013

Top of Sächsische Schweiz

Für Tag 8 in der Sächsischen Schweiz haben wir uns die Tour auf den zweithöchsten Punkt aufgespart, den Grossen Winterberg (556 m.ü. M.), eine Basaltkuppe mit Berghotel im Schweizerhausstil. Der Aussichtsturm ist zwar saniert, aber das Panorama vom Kipphorn ist schöner.

Mit dem Bus fahren wir nach Schmilka, von wo wir über den Grossen Winterberg und den Kuhstall ins Kirnitzschtal zum Lichtenhainer Wasserfall wandern. Die Beschreibung dieser schönen Tour ist hier als PDF herunterladbar — sie entspricht bis auf zwei Abweichungen unserer Wanderung, über die Frau Frogg schreibt: Am Königsweg gescheitert.


Zwei Schweizen auf einen Blick
Auf Empfehlung unserer Vermieterin machen wir den kleinen Umweg über die Kipphornaussicht, die einen grossartigen Ausblick über das Elbtal, die Sächsische und Böhmische Schweiz bietet:

Das Dreiviertelpanorama vom Kipphorn reicht von der Böhmischen Schweiz im Südosten über die Sächsische Schweiz bis zu den Schrammsteinen im Nordwesten. Die Elbe kommt von Děčín im Süden und entschwindet Richtung Westen nach Dresden — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Kipphornaussicht nach Westen auf den Lilienstein, das Elbtal und die Schrammsteine

Ein Waldweiher am Weg zum Grossen Winterberg. Das im Winter von diesem Teich gewonnene Eis wurde Im 19. Jh. im doppelwandigen Eishaus auf dem Grossen Winterberg aufbewahrt und im Sommer zur Kühlung genutzt.


Auf dem Grossen Winterberg
Seit den Anfängen des Tourismus in der Sächsischen Schweiz ist der Grosse Winterberg ein beliebtes Ausflugsziel mit Gastwirtschaft. Hier machen wir Mittagspause und löschen unseren Durst.

Die Speisekarte des Berggasthauses mit langer Tradition


Zum Mittagessen gibt es Soljanka, eine Suppe aus der osteuropäischen Küche — Der von 1971 bis 2008 wegen Baufälligkeit gesperrte Aussichtsturm ist wieder offen

Auf der bewaldeten Kuppe ist Aussicht nur vom Turm zu haben und auch die ist von Bäumen beeinträchtigt — nach Osten ist der Blick frei und schweift über ein riesiges Waldgebiet in Böhmen

Die Soljanka, eine scharf-säuerliche Suppe, die auf dem Winterberg mit Wurst zubereitet wird, schmeckt ausgezeichnet — vielleicht sollte ich mal ein Rezept runterladen und ausprobieren...


Auf historischer Wanderroute
Der Fremdenweg ist eine historische Wanderroute durch die Sächsische Schweiz. Sie ist im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts entstanden, als das Elbsandsteingebirge als wildromantisches Reiseziel in Mode kam. Sie ist möglicherweise die erste Weitwanderroute, die ausschliesslich touristischen Zwecken diente. In acht Etappen erschloss sie die Sehenswürdigkeiten der Sächsischen Schweiz. Ebenfalls acht Etappen hat der heutige Malerweg, der sich auf die historische Route bezieht, teils den alten Wegen folgt, teils die Sujets der Maler auf neuen Wegen erschliesst. Während der Fremdenweg von Pillnitz (ein Vorort von Dresden) rechtselbisch zum Prebischtor führte und man dann per Schiff zurückfuhr, ist der heutige Malerweg praktisch eine Rundwanderung auf beiden Seiten der Elbe mit Ausgangs- und Endpunkt in Pirna (Vergleich der Routen: siehe Haupt- und Fernwanderwege in der Sächsischen Schweiz).


Auf dem unteren Fremdenweg in der Nähe des Kleinen Winterbergs

Unser nächster Wegabschnitt zwischen Grossem Winterberg und Kuhstall ist Teil des Fremdenwegs, der historischen Wanderroute. Sie führt dem Rand eines Felsplateaus entlang und bietet immer wieder wunderschöne Ausblicke auf die Wald- und Felsenlandschaft der Sächsischen Schweiz.

Ein Ausschnitt dieses wildromantischen Panoramas ziert zur Zeit den Kopf meines Blogs — zum Vergrössern aufs Bild klicken!


Am unteren Fremdenweg und am Königsweg — angesichts der beiden Kletterer auf der Felsnadel erstaunt nicht, dass Frau Frogg hier vom metaphysichen und realen Grausen ergriffen wird.

Der Abstieg vom Felsenplateau unterhalb des Kleinen Winterbergs runter zum Kuhstall und weiter zum Lichtenhainer Wasserfall ist zumindest am Anfang recht happig.

Fazit: Eine attraktive Wanderung vom Elbtal über den zweithöchsten Punkt der Sächsischen Schweiz bis ins Kirnitzschtal mit einigen Erkenntnissen zu den Anfängen des Tourismus.

Montag, 12. August 2013

Děčín — Stadt der zwei Geschwindigkeiten

Am Tag 7 in der Sächsischen Schweiz fahren wir über die nahe tschechische Grenze in die Böhmische Schweiz (České Švýcarsko) und besuchen Děčín. Die Stadt an der Labe — wie die Elbe hier heisst — begrüsst uns mit träger Apathie und zehrt von verblichenem Glanz.

Entlang der Elbe / Labe
Der grenzüberschreitende Regionalzug bringt uns in einer halben Stunde ins tschechische Děčín. Die landschaftliche schöne Bahnstrecke führt dem Fluss entlang durchs dünn besiedelte Elbsandsteingebirge, dann öffnet sich das Tal zu einem weiten Kessel mit der Industrie- und Verwaltungsstadt Děčín im Zentrum. Schon die Fahrt auf der "scenic route" ist ein Erlebnis:

Bad Schandau mit Hotelkästen und Toscana-Therme

Güterzug bei den Schrammsteinen

Flusskreuzfahrt wegen Hochwasser abgesagt

Auch an der Labe verbinden Fähren die beiden Ufer


Děčín hat nicht auf uns gewartet
Das nordböhmische Städtchen ist ganz und gar nicht auf Touristen eingestellt: Am Bahnhof haben wir erhebliche Schwierigkeiten uns zurechtzufinden, weil weit und breit kein Stadtplan zu finden ist, weil nur wenige deutsch oder englisch sprechen und weil trotz Grenznähe tschechische Kronen das einzige Zahlungsmittel sind. In Der eiserne Vorhang beschreibt Frau Frogg unser Gefühl der Unwillkommenheit bei unserer Ankunft.

Vermutlich ist diese träge Apathie, mit der uns die Stadt empfängt, Ausdruck der wirtschaftlichen Depression, unter der Tschechien und insbesondere die nordböhmische Region Ústecký leidet. Während 2005 gemäss Wikipedia der Durchschnittslohn in der Region Ústecký nur etwa 90% des Landesdurchschnitts betrug, war die Arbeitslosigkeit mit 15.41% weit höher als in den 13 anderen Regionen und fast doppelt so hoch als der Landesdurchschnitt von 8.88%. Děčín ist als Zentrum in einer strukturschwachen Region definitiv keine boomende Stadt, deshalb verwundert nicht, dass auch das Bahnhofsquartier mit stark reduzierter Geschwindigkeit unterwegs ist.

Das Schloss — Sehenswürdigkeit Nr. 1 von Děčín

Die Brücke über die Labe (Elbe) verbindet die Stadtteile Podmokly (Bodenbach) und Děčín (Tetschen), die bis 1942 eigenständige Städte waren. Unterhalb dieser Brücke wird bei Niedrigwasser der Hungerstein sichtbar. Die Inschrift "Wenn du mich siehst, dann weine" verweist darauf, dass auch zu wenig Wasser ein Problem ist.

Auch diese Häuserzeile am Fuss der Schäferwand war vom Hochwasser betroffen — darüber das "Château Gütsch" von Děčín, ein Ausflugsrestaurant in Form einer romantischen Burg.

Das Rathaus von Děčín


Děčíns verblichener Glanz
Das Schloss mit seinen repräsentativen Räumen zeugt von Děčíns glanzvoller Vergangenheit — die Erinnerung an bessere Zeiten hilft, die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu cachieren und zu verdrängen. Frau Frogg schildert hier ihre Eindrücke von unserem Besuch im Schloss von Děčín.

Schon der Aufgang zum Schloss ist grossartig inszeniert. Bild: fotofrogg

Der Zugang zum Schloss erfolgt über diesen Graben.

Hinter dem Eingangstor öffnet sich dieser grosszügige Schlosshof.

Die elegant eingerichteten Räume in diesem Gebäudeflügel sind nur mit einer Führung zu besichtigen, aber mit der deutschen Übersetzung auf dem Audioguide lohnt es sich. Bild: fotofrogg

Die Aussicht aus den Fenstern des Eckzimmers im Schlossturm reicht vom Schlosspark über Podmokly (Bodenbach) und die Schäferwand bis zur Elbbrücke von Děčín — zum Vergrössern aufs Bild klicken!


I Never Promised You A Rose Garden
Der Rosengarten ist eine Überraschung für uns beide, aber der Hauptgrund, weshalb wir von diesem Rosengarten so angetan sind, ist seine reizvolle architektonische Anlage: Der Lustgarten zwischen der Mauer des Aufgangs zum Schloss und der Mauer über dem Schlossfelsen ist eine Terrasse über der Stadt. Am hinteren Ende des Rosengartens führt eine Treppenanlage zu einer Gloriette, eine Art Schmuckpavillon, von der man eine grossartige Aussicht über die Stadt und ganzen Talkessel von Děčín geniesst:


Der Rosengarten ist eine Aussichtsterrasse über der Stadt.


Der Rosengarten mit Gloriette — ist am schönsten, wenn die Rosen blühen... (Bild: fotofrogg)


Die reizvolle Anlage des Rosengartens — im Hintergrund das Děčíner Schloss und das Ausflugsrestaurant auf der Schäferwand


Die Gloriette von unten und eine von vielen Rosen

Die Aussicht von der Gloriette des Rosengartens reicht von der Altstadt von Děčín, dahinter das Elbtal, über den Aufgang zum Schloss, den ganzen Talkessel bis zum Rosengarten (im Bogen der Gloriette) — zum Vergrössern aufs Bild klicken!


Kamera mit Sonnenbrand
Das Mittagessen — böhmische Knödel mit Gulasch — ist wenig überzeugend, das Bier hingegen schon: Gegen das Original-Budweiser ist das amerikanische Nachahmerprodukt eine wässrige Brühe.


Meine Kamera schält sich schon...


Zwei Geschwindigkeiten
Auch auf dem Weg zurück zum Bahnhof hinterlässt die Stadt der zwei Geschwindigkeiten einen zwiespältigen Eindruck: Das touristische Děčín ist fast mit normaler Geschwindigkeit unterwegs, während das gewöhnliche Děčín durch die wirtschaftliche Depression deutlich gebremst ist.


Am Hauptplatz hat sich Děčín herausgeputzt: Der Platz wirkt gepflegt und die Fassaden sind renoviert.


Diese bunte Fassade stammt aus einer ganz anderen Zeit und wirkt auf den ersten Blick nur etwas ausgebleicht, beim genaueren Hinsehen jedoch sieht man erste Spuren der Vernachlässigung aus Geldmangel: Die Leuchtreklame wurde nicht mehr erneuert und das improvisierte Dächli über dem Bankomaten hat ein Loch...


Die Liebesschlösser am Brückengeländer wiederum zeugen von Optimismus für die Zukunft.


Diese repräsentative Gebäudefront mit renovationsbedürftiger Fassade und dieses schöne Schokoladengeschäft zeugen von Děčíns verblichenem Glanz und dem Bemühen, den Courant normal aufrechtzuerhalten.


Unser Ausflug in die Böhmische Schweiz hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Děčíns touristische Attraktionen werden gepflegt, so gut es geht, während der Rest der Stadt unter dem Geldmangel leidet und leicht depressiv oder zumindest melancholisch wirkt.

Dienstag, 6. August 2013

Der veränderte Blick

Letzten Sonntag haben wir im Zürcher Museum für Gestaltung zwei sehenswerte Fotoausstellungen angeschaut: "Souvenir" des britischen Fotografen Martin Parr, der gerne und humorvoll Klischees aufgreift und serienweise ablichtet, und "Doppelleben" des Schweizer Magnum-Fotografen René Burri, der als dokumentierender Fotograf die Welt in Schwarz-Weiss festgehalten und nebenbei als Autorenfotograf ein künstlerisches Werk in Farbe geschaffen hat.

Nach stundenlangem Betrachten von Fotos kehrt man — wie Frau Frogg hier beschreibt — mit geschultem Auge in die Aussenwelt zurück. Nach dem Austritt aus den Ausstellungsräumen habe auch ich die Welt mit verändertem Blick gesehen:







Der Klassiker unter den Steinen

Am Tag 6 in der Sächsischen Schweiz bezwingen wir den Lilienstein auf der Südroute und finden die Überreste der Sächsischen Dampfschifffahrt. In den Nebenrollen: Jo Schmilka, der erfolgreiche Turmspringer der DDR, und ein tschechischer Gas-Tank auf der Flucht.

Königstein hat ein Problem
Von all den Ferienorten in der Sächsischen Schweiz ist das verkehrsgünstig an der Einmündung der Biela gelegene Königstein am besten mit öV erschlossen und eignet sich deshalb als Ausgangspunkt für Wanderungen und Ausflüge. Das ist auch der Grund, wieso wir ursprünglich in Königstein Ferien machen wollten — bis das Hagelunwetter vom 9. Juli unsere Ferienwohnung unbewohnbar machte. Tatsächlich sind wir immer wieder in Königstein ein-, aus- oder umgestiegen. Auch jetzt ist Königstein Ausgangspunkt unserer Wanderung auf den Lilienstein.

Bevor wir jedoch ans andere Elbufer übersetzen, kommen wir nicht umhin, das Wahrzeichen von Königstein Downtown zu besichtigen, den mächtigen Bahndamm entlang der Elbe. Er dominiert das Dorfbild und trennt das an sich schöne Dorf vom Fluss: Königstein liegt zwar an der Elbe, hat aber trotz zahlreichen Dammdurchbrüchen nicht wirklich Zugang zum Fluss — es bleibt hinter dem Damm. Nicht einmal bei Hochwasser ist der Damm ein Segen, denn er kann Königstein nicht vor den Wassermassen schützen.

Der Bahndamm, der Königstein vom Fluss trennt

Die Biela fliesst durch ein Seitental und mündet bei Königstein in die Elbe

Für die Schwalben ist der Bahndamm ein idealer Nistplatz

Blick von der Fähre aufs "Wahrzeichen" von Königstein


Lilienstein — Südroute

Die Ebenheit — eine faszinierende Ebene über dem Elbtal

Da der Lilienstein ein Tafelberg ist (rechtselbisch sogar der einzige), erfolgt der von Frau Frogg beschriebene Aufstieg in zwei Stufen:

1) Vom Elbufer auf einem breiten, aber steilen Weg auf die Ebenheit, die Ebene über dem Elbtal (obiges Bild) und

2) von der Ebenheit über Treppen und Leitern auf den Lilienstein (nebenstehendes Bild ist furchterregender als die Realität).

Der Aussichtspunkt am westlichen Ende des Liliensteins

Die Ebenheit, wo 1756 die Sächsische Armee sich den Preussen ergeben musste, dahinter der Königstein, von wo der Kurfürst tatenlos zusehen musste.


Zwei verschiedene Aussichten
Vom westlichen Ende des Liliensteins hat man eine ganz andere Aussicht als vom östlichen:

Das 360°-Panorama vom westlichen Ende zeigt das Elbtal, das in einer gigantischen S-Kurve den Lilienstein umkurvt und Richtung Westen entschwindet — zum Vergrössern aufs Bild klicken!

Auch das 180°-Panorama vom östlichen Ende zeigt das Elbtal Richtung Südosten: Die Elbe kommt vom Hintergrund, passiert die Brücken von Bad Schandau, umkurvt den Lilienstein und verschwindet zwischen Ebenheit und Königstein — zum Vergrössern aufs Bild klicken!


Ein Gas-Tank aus Tschechien
Nach dem erst steilen, dann gemächlichen Abstieg vom Lilienstein gelangen wir bei Prossen wieder ans Elbufer:


Der Blick zurück vom Elbufer bei Prossen


Von der Anlegestelle Prossen ist nur noch die Tafel mit den Fahrplänen da, von der Sächsischen Dampfschifffahrt fehlt jede Spur — im Hintergrund die Einfahrt in den Winterhafen von Prossen


Von drei Gas-Tänken, die im tschechischen Děčín vom Elbehochwasser weggespült wurden und den Fluss abwärts trieben, konnte einer bei Prossen angelandet und im Winterhafen vertäut werden.


Jo Schmilka

An diesem strahlend schönen Tag machen wir im Schatten dieser Kranbahn am Winterhafen von Prossen einen kurzen Halt. Da kommt mir die Geschichte von Jo Schmilka in den Sinn, dem erfolgreichen Turmspringer der DDR, dem hier sein erster Dreifachsalto mit doppelter Schraube gelang, eine Geschichte, die mir — es ist drückend heiss und ich bin von der Hitze schon ein bisschen beduselt — durch den Kopf schwirrt und natürlich kein bisschen wahr ist...


Hochwasserschutzhafen
Seit Tagen versuche ich herauszufinden, wann die Sächsische Dampfschifffahrt ihren Betrieb wieder aufnimmt, weil ich vor dem Ende der Ferien unbedingt noch eine Flussfahrt mit dem Schaufelraddampfer machen will. Aber in der Zeitung heisst es lapidar, dass die Elbe für die Schifffahrt noch nicht freigegeben ist. Ich bin aber guten Mutes und sage zu Frau Frogg: "Du wirst schon sehen und die Sächsische Dampfschifffahrt erleben!"

Im Hafen von Prossen bekommt meine Zuversicht einen Dämpfer, denn in einer "Sackgasse" parallel zur Elbe, die im Winter den Schiffen Schutz bietet vor dem Eis, das den Fluss hinuntertreibt, finden wir die Reste der Sächsischen Dampfschifffahrt: Ein Teil der Dampfschiffe, Motorschiffe und Anlegepontons sind hier vor dem Hochwasser in Sicherheit gebracht worden — der Winterhafen ist auch ein Hochwasserschutzhafen.




Im Winterhafen von Prossen ist schätzungsweise ein Drittel der "Weissen Flotte" vertäut: Nach dem Hochwasser warten Schlepper, Raddampfer, Motorschiffe und Anlegepontons auf bessere Tage — auch der Kulturflaneur hofft auf eine rasche Normalisierung und eine baldige Wiederaufnahme der Schifffahrt...


Arche Noah im Schrebergarten
Etwas weiter treffen wir in einem Schrebergarten auf ein Gartenhäuschen, das mit dem Hochwasser abhauen wollte — doch sein Fluchtversuch war bei weitem nicht so erfolgreich wie die Flucht des tschechischen Gas-Tank-Trios: Nach einem Meter war die grosse Fahrt der Gartenarche schon wieder zu Ende:

Vom Hochwasser verwüstet: der Schrebergarten von Rathmannsdorf


Fazit: Ein strahlend schöner, aber brütend heisser Tag mit tollen Aussichten vom Klassiker der Steine und einigen Erkenntnissen bezüglich tschechischer Gas-Tanks und Sächsischer Dampfschifffahrt.

Freitag, 2. August 2013

Das lange Warten auf den Blitz

Vor einer Woche ist der Konzept- und Landart-Künstler Walter de Maria 77-jährig gestorben. Mit seinem Lightning Field in der Wüste von New Mexico machte er weltweit Furore. Das 1977 entstandene Land-Art-Werk besteht aus 400 Stahlpfählen, die in einem 1 Meile x 1 Kilometer grossen, rechteckigen Raster angeordnet sind. Schon damals beflügelte es auch meine Fantasie: Ich stellte mir vor, wie in der Gewittersaison Abend für Abend die Blitze magisch angezogen im Lightning Field einschlagen und von Pfahl zu Pfahl hüpfen — jetzt stellt sich heraus: Diese Blitze sind nur im Kopf, aber nicht nur in meinem.

Auf dem Internet suchte ich nach dem Bild, das ich über dreissig Jahre in meinem Kopf hatte, und fand immer nur die gleichen zwei, drei Blitze, die in der Umgebung einschlagen, aber keinen, der direkt in eine Stahlstange von de Maria einschlägt, was nicht weiter verwunderlich ist: Denn während Titel und Form des Werks suggerieren, dass Lightning Field ein häufiges Ziel von Blitzschlägen ist, sind sie eigentlich ziemlich selten. Todd Gibson schreibt 2004 in A Pilgrimage to The Lightning Field:

(...) "Wie der Titel schon sagt, soll die Arbeit die Atmosphäre einbeziehen, indem sie Blitze vom Himmel anzieht und so einen Austausch zwischen Natur und Kultur schafft. Aber es funktioniert nicht wirklich auf diese Weise. Wenn Sie erwarten, Blitze ins Feld einschlagen zu sehen, werden Sie enttäuscht sein. Wenn ein Blitz einschlägt, ist der Pfahl so gezeichnet, dass er ersetzt werden muss, was nur alle paar Jahre mal passiert. Als ich Lightning Field besuchte, gab es keine Blitze, dennoch war es keine enttäuschende Erfahrung."

Die Dia Art Foundation, die als Nonprofit-Organisatione das Werk betreut und den Besuch von Lightning Field streng reglementiert, verbietet das Fotografieren. Aber Walter de Maria hat seine Lightning Field-Fotos in einem Flickr-Album ins Netz gestellt:

Lightning Field — Album von Walter de Maria auf Flickr

Und BesucherInnen, die im Blockhaus beim Lightning Field übernachten, machen Videos. Hier eines mit Musik:

Lightning Field from Andrew MacLachlan on Vimeo.

Auch ohne Blitze ist das formal strenge Werk von Walter de Maria voller Poesie, die nur in der Einsamkeit der Wüste von New Mexico wahrgenommen werden kann — deshalb sind nur 6 BesucherInnen pro Tag zugelassen, die eine aufwändige Anreise auf sich nehmen und beim Lightning Field übernachten müssen: "Lightning Field — a peaceful piece of art", sagen BesucherInnen, die das Werk gesehen haben. In seinem Eintrag über das Lightning Field, den er mit drei von der Stiftung zur Verfügung gestellten Bildern illustriert, schreibt George auf seinem Blog Art Appreciation 101:

(...) "Mit nahm ich eine neue Wertschätzung für De Marias Geschick, durch die Kombination natürlicher Umgebung mit einer hochqualifizierten und phantasievollen Intervention eine besondere Erfahrung zu kreieren."

Mit dem Wissen, dass Lightning Field in einer blitzarmen Gegend realisiert wurde, wird für mich diese Land Art auch zur Conceptual Art, zur Kunst, die im Kopf stattfindet: Mit Titel und Form seiner Arbeit fördert de Maria die Vorstellung, dass Blitze von seinem "überdimensionalen Nagelbett" angezogen werden, und lässt so in den Köpfen Blitzbilder entstehen, die mit der blitzarmen Realität wenig zu tun haben — und deshalb auf dem Internet auch nicht zu finden sind. Da können wir noch lange auf den Blitz warten, er ist im Kopf.
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